Aktion Schwarze Kreuze

1981 wurde Frederike ermordet von Ismet H. Ihr Vater kämpft bis heute

Seine Tochter wurde 1981 vergewaltigt und ermordet. Trotz neuer Beweise bleibt der mutmaßliche Mörder in Freiheit. Hans von Möhlmann will weiter dafür kämpfen, dass das deutsche Recht geändert wird.

Hans von Möhlmann lässt sich nicht beirren. Mit seinen rund 1,90 Meter steht er wie ein Baum vor der Pforte des Bundesjustizministeriums. „Na, dann rufen Sie den Herrn Maas doch mal an“, fordert er die Sicherheitsbeamtin auf.

„Der wird nicht runterkommen“, gibt sie zurück.

„Und was ist mit meiner Petition?“ „Von der wissen wir nichts.“ „Deswegen bin ich ja hier.“

Von Möhlmann trägt einen dicken roten Aktenordner voller Unterschriften unterm Arm. „Gerechtigkeit für meine ermordete Tochter Frederike“ steht darauf. Er solle ihn doch bitte bei der Poststelle abgeben, sagt die Sicherheitsbeamtin. „In Ordnung, das lass ich mir dann aber quittieren.“

Hans von Möhlmann will nicht weniger als die Strafprozessordnung ändern. Der Justizminister wollte ihn nicht persönlich empfangen, deshalb gibt er seine Petition jetzt also am Seiteneingang ab. 73 Jahre ist er alt. Und alle Zeichen, dass die Politik die Gesetze ändert, damit der Mörder seiner Tochter doch noch verurteilt werden kann, stehen gegen ihn.

Aber Aufgeben kommt für ihn nicht infrage.

„Für mich ist das unfassbar, dass hier ein Mörder frei herumläuft. Das kann ich nicht akzeptieren.“

( Täter mit Migrationshintergrund)

Hans von Möhlmann bekam eine Lebensaufgabe

Der Tag, an dem sein Leben eine jähe Wendung nahm, liegt bald 35 Jahre zurück.

Am 4. November 1981 machte sich seine Tochter Frederike von einer Chorprobe im niedersächsischen Celle auf den Heimweg ins 14 Kilometer entfernte Dörfchen Oldau. Frederike wollte trampen.

Vier Tage später fanden Beerensammler ihre Leiche im Wald. Jemand hatte die 17-Jährige vergewaltigt, elf Mal mit einem Messer auf sie eingestochen und ihr die Kehle durchgeschnitten.

Als der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begann, war der Vater in psychiatrischer Behandlung, er hatte einen Zusammenbruch erlitten. 1982 sprach das Landgericht Lüneburg den damals 22-jährigen Ismet H., einen kurdischen Einwanderer aus der Osttürkei, schuldig.

Ein Jahr später hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf. In einem erneuten Prozess wurde H. dann freigesprochen, aus Mangel an Beweisen. Der genetische Fingerabdruck, heute eines der wichtigsten Instrumente der Rechtsmedizin, wurde erst ein Jahr später entwickelt.

Ismet H. bekam eine Haftentschädigung.

Hans von Möhlmann eine Lebensaufgabe: „Ich wollte den Mörder meiner Tochter finden.“ Jeden Morgen las er die Zeitung, schnitt ähnliche Fälle aus, wies die Ermittler darauf hin, beauftragte drei Anwälte, die Polizeiarbeit zu kontrollieren.

Ein Freispruch war ein Freispruch

Als er 70 wurde, schrieb er den niedersächsischen Innenminister an:

„Bevor ich sterbe, möchte ich wissen, wer der Mörder meiner Tochter ist.“ Der Innenminister schickte eine Sonderkommission in die Asservatenkammer. Dort lagerte noch der Slip von Frederike und eine provisorische Binde, die sie aus Toilettenpapier gefaltet hatte.

Und ein Haar von Ismet H. Die DNA einer Sekretspur in Frederikes Slip und die des Haars waren in allen Punkten identisch.

Hans von Möhlmann wusste nun, wer der Mörder seiner Tochter ist. Aber er musste bald erfahren, dass dieser wohl den Rest seines Lebens in Freiheit verbringen wird.

Nach der deutschen Strafprozessordnung darf jemand, der einmal freigesprochen wurde, nicht noch einmal wegen des gleichen Vergehens vor Gericht gestellt werden.

Es gilt der Grundsatz der „Rechtssicherheit“ und des „Rechtsfriedens“:

Der Bürger soll vor der Willkür des Staates geschützt werden. Wenn seine Unschuld einmal festgestellt wurde, soll er sicher sein können, nicht immer wieder wegen der gleichen Sache belangt werden zu können.

Einzige Ausnahme:

Wenn eine Urkunde gefälscht war, Zeuge oder Sachverständiger gelogen oder falsche Angaben gemacht hat, wenn ein Richter oder Schöffe sein Amt nicht ordentlich ausgeführt hat – oder der Freigesprochene im Nachhinein ein Geständnis abgelegt hat. Neue Beweise reichen nicht aus.

Strafrechtlich waren also alle Wege ausgeschöpft. Zusammen mit einem erfahrenen Anwalt versuchte der Vater, auf zivilrechtlichem Wege doch noch recht zu bekommen:

Er verklagte Ismet H. auf Schmerzensgeld, wegen der körperlichen und seelischen Schäden, die er durch den Tod seiner Tochter erlitten hat. So, glaubte er, müsse sich ein Gericht doch noch mit der Frage beschäftigen, ob Ismet H. der Mörder ist.

Eine kleine Sensation in der Rechtsgeschichte

Die Klage scheiterte in erster und zweiter Instanz. Anders als Mord verjähren Schmerzensgeldansprüche nach 30 Jahren. Das Oberlandesgericht Celle entschied im Frühjahr, dass die Klage zu spät kam. Außerdem habe von Möhlmann seine Traumatisierung durch den Tod seiner Tochter nicht ausreichend dargelegt.

Eine Niederlage sei das gewesen, klar, sagt Anwalt Wolfram Schädler. Aber auch eine kleine Sensation in der deutschen Rechtsgeschichte.

Denn das Zivilgericht ist sicher, dass Ismet H. „die Tochter des Klägers im November 1981 vergewaltigt und anschließend getötet hat“ – so hat es Hans von Möhlmann nun schriftlich, in der Urteilsbegründung. „Das hat sehr gut getan“, sagt er.

Der Vater will aber nicht ruhen, bis der mutmaßliche Mörder vor ein Strafgericht kommt. Sein Ziel:

Paragraf 362 der Strafprozessordnung soll ergänzt werden. Wenn neue, wissenschaftliche und vom Bundesgerichtshof anerkannte Beweise auftauchen, soll ein Strafverfahren wieder aufgenommen werden können.

Auf der Kampagnenplattform Change.org startete er vor eineinhalb Jahren die Petition

„Gerechtigkeit für meine ermordete Tochter Frederike“. 104.630 Unterstützer hat sie heute. Daneben erreichte von Möhlmann eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Dimap. 91 Prozent der 1025 Befragten sprachen sich für eine Reform aus.

Andere Länder, darunter England, Finnland, Norwegen, Schweden und Österreich, haben ihre Gesetze mit dem Aufkommen der DNA-Analyse entsprechend geändert. Allein in Deutschland ist ein entsprechendes Reformvorhaben bereits einmal versandet.

Keine Bundespartei hat sich bisher dafür ausgesprochen. Justizminister Heiko Maas ließ dem Vater und dessen Anwalt ausrichten, dass er keine Zeit für sie habe. Immerhin ließen sich Mitarbeiter des Ministeriums ihre Argumente vortragen. „Sie hören von uns“, habe es daraufhin geheißen, sagt Schädler. Bis heute hätten sie keine Nachricht bekommen.

Kämpfen, solange er noch kann

Auch an diesem Tag kommt Hans von Möhlmann nicht weiter als bis an das Garagentor neben der Poststelle, wo er seinen Aktenordner mit den gesammelten Unterschriften seiner Petition abgibt. Ein junger Mann drückt ihm eine Eingangsbestätigung in die Hand.

Ob das jetzt sein letzter Gang sei, nun, da alle Wege ausgeschöpft sind, fragt ihn ein Fernsehreporter. Von Möhlmann lacht, zum ersten Mal an diesem Tag.

„Ach wissen Sie, ich habe in meinem Leben schon so viele Hürden gehabt“, sagt er.

„Das ist jetzt nun mal meine Aufgabe.“ Und für die will er kämpfen, solange er noch kann. Weil er weiß, dass er recht hat.

https://www.welt.de/vermischtes/article158281312/1981-wurde-Frederike-ermordet-Ihr-Vater-kaempft-bis-heute.html

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