Im Prozess wegen des grausamen Mordes an der Freiburger Studentin Maria L. wird an diesen Donnerstag das Urteil verkündet. Die Staatsanwaltschaft beantragt lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung für Hussein K.
„Gefühllos, berechnend, verlogen“, so fasst Stefan Hupka von der „Badischen Zeitung“ in Freiburg den Eindruck zusammen, der nach 25 Verhandlungstagen von Hussein K. bleibt, dem Angeklagten im Prozess um den Mord an der 19-jährigen Medizinstudentin Maria L. Ein halbes Jahr hat der Prozess gedauert, der Reporter hat ihn von Anfang an beobachtet. An diesem Donnerstag wird das Urteil erwartet.
Der Staatsanwalt hat nicht nur lebenslange Haft beantragt, sondern auch die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld und Sicherheitsverwahrung. Folgt das Gericht seinem Antrag, dann hätte Hussein K. keine Chance, nach 15 Jahren freizukommen – dem üblichen Termin, nachdem die Entlassung Lebenslänglicher geprüft wird.
Schwere Fehler von Behörden und Betreuern
Das Verbrechen hatte Aufsehen erregt, weil der Täter aus Afghanistan stammt und in Deutschand Asyl beantragt hatte. In den sechs Monaten Prozess kamen dann nicht nur die grausamen Details der Verwaltigung und des Todes von Maria L. zur Sprache, sondern es wurde auch eine lange Kette von Versäumnissen von Behörden und Personen sichtbar, die Einfluss auf Hussein K.s Leben hatten oder hätten haben müssen.
So stellte sich bald heraus, dass der Mann, der im November 2015 nach Deutschland kam und sich als 16-Jähriger ausgab, zuvor bereits in Griechenland im Gefängnis war, weil er eine junge Frau angegriffen, einen Abhang hinuntergestoßen und lebensgefährlich verletzt hatte. Eine Amnestie brachte ihn schon nach zwei Jahren wieder in Freiheit. Es gab aber zu seinem Fall keinen Datenaustausch zwischen Griechenland und Deutschland.
Sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge monatelang nicht bearbeitet – die Behörde war seinerzeit durch den Höhepunkt der Flucht aus Syrien überlastet. Mehrere Sozialarbeiter und Gutachterinnen glaubten K. offensichtlich ungeprüft eine Fluchtgeschichte und eine Biografie, die sich im Prozess als fast vollständig erfunden herausstellten.
Auch seine Unterbringung bei einer Pflegefamilie soll nicht korrekt gewesen sein. Nach Recherchen der „Badischen Zeitung“ hatte die Organisation, die ihn vermittelte, keine Genehmigung dafür. Ein 61-jähriger Freiburger Kinderarzt und seine Frau, eine Übersetzerin, die beide ebenfalls aus Afghanistan stammen, nahmen Hussein K. auf. Der Arzt gab im Prozess zu, dass K. oft tage- und nächtelang außer Haus war, ohne dass die Familie wusste, wo er sich aufhielt. Auch die Berufsschule, die er besuchen sollte, sah K. nur selten. Das Praktikum in einer Autowerkstatt warf er hin und eine Ausbildung zum Tischler lehnte er ab, weil sie ihm zu schlecht bezahlt erschien.
Tat genau rekonstruiert
Das Verbrechen an Maria L. ist in den Ermittlungen und im Prozess in praktisch allen erschütternden Details aufgeklärt worden. Demnach radelte die Erstsemester-Studentin in der Nacht des 16. Oktober am Ufer des Flüsschens Dreisam nach Hause. Hussein K. stieß sie vom Rad, er hielt ihr den Mund zu und würgte sie, sie wurde ohnmächtig. Maria L.s Körper zeigte Hinweise auf mehrfache Vergewaltigung und Bissspuren im Gesicht, der Brust und im Unterbauch. Maria L. ertrank schließlich, K. hatte sie mit dem Gesicht ins Wasser der Dreisam gelegt. Die Auswertung der Handy-Daten von Opfer und Täter ergab, dass die Tat wohl eine Stunde lang dauerte.
Von Hussein K.s Behauptung einer spontanen Tat unter starkem Drogeneinfluss – er hatte angeblich nicht gesehen, dass die Person auf dem Rad eine Frau war – blieb durch die akribische Arbeit des Gerichts nicht viel übrig. Der Täter hatte schon zuvor Frauen in einer Freiburger Bar belästigt. Video-Bilder aus der Straßenbahn, mit der er nach der Tat fuhr, zeigten zudem, dass er nicht orientierungslos war.
„Es war doch nur eine Frau“
Wer den Prozess beobachtet hat, erwartet eine harte Strafe – zumal sich auch die Möglichkeit einer Jugendstrafe erledigt hat. Hussein K. ist vermutlich etwa 26 Jahre alt, wie die Untersuchung eines Zahns ergab, den er sich 2016 hatte ziehen lassen und der in seiner Einliegerwohnung bei den Pflegeeltern gefunden wurde. Auch die Aussagen zu seinem Leben konnte das Landgericht als Legenden entlarven. So erreichte die Richterin K.s Vater telefonisch in Teheran. K. hatte behauptet, sein Vater sei von Taliban ermordet worden, als er selbst noch ein Kind war. Der Staatsanwalt sagte vor Tagen in seinem Plädoyer, er sehe keine Anhaltspunkte für mildernde Umstände.
Ähnlich wird K. auch vom psychiatrische Gutachter beurteilt, der ihm emotionale Kälte attestierte und eine „frauenfeindliche Einstellung“, die „aus der Mitte der Persönlichkeit“ komme. Dass K. rückfällig werde, sei sehr wahrscheinlich. Die griechischen Ermittler, die K. nach dem Mordversuch an der jungen Frau in Griechenland erlebt hatten, bestätigten dies in ihren Aussagen in Freiburg. Vor ihnen hatte K. sich über den Ermittlungsaufwand um seine Tat erstaunt gezeigt: „Es war doch nur eine Frau.“
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